9. Reisebericht: Die letzte Etappe...

...auf dem amerikanischen Kontinent.

28. August - 10. September 2018

Nach 16 Stunden Fähre - über Nacht und ohne Kabine - sind wir wieder in Nova Scotia und fühlen uns noch fit für Kultur. Wir besuchen das Fortress Louisbourg und lernen, dass ein Fort eine rein militärische Anlage ist während ein Fortress zwar auch ein Militärstützpunkt ist, die Befestigungen jedoch dazu dienen, eine Stadt mit Kaufleuten, Händlern, Handwerkern, Fischern, etc. zu schützen.

  • Blick auf Louisbourg

  • Hauptportal

  • gut gesichert

  • Gouverneurspalast

Die Rekonstruktion dieses bedeutendsten französischen Handelszentrums in der Neuen Welt gilt als eines der aufwendigsten Projekte dieser Art.
Von der einst mehrere Hundert Gebäude umfassenden Stadt, die Anfang des 18. Jahrhunderts Zentrum der französischen Kabeljau-Fischerei war, wurden über 50 Gebäude wieder aufgebaut. Und die Vergangenheit wird in der beeindruckenden Anlage gelebt: Soldaten in alten französischen Uniformen marschieren durch die Stadt und als Bäcker, Fischer oder Schmied "arbeitende" Zivilisten gehen ihren Aktivitäten nach.

Um vor britischen Attacken sicher zu sein, sollte um die Stadt eine uneinnehmbare Festung errichtet werden. Trotz über 20jähriger Bauzeit wurde die Anlage jedoch nach nur 46 Tagen Belagerung von den Briten eingenommen.

Neu-Schottland, die letzte kanadische Provinz auf unserer Reise, ist ein würdiger Abschluss. Felsige Küsten, schöne Buchten, historische Städtchen - und das spätsommerliche Wetter spielt mit. Wir sind im europäischen Teil Kanadas und bewegen uns durch französisch, englisch und deutsch geprägte Ortschaften und werden nicht selten in gebrochenem Deutsch angesprochen.

Wir genießen die letzten Tage an der Küste...

...umrunden Leuchttürme...

und verbringen eine Nacht auf einem coolen Campingplatz an der Steilküste.

Der 300km lange Cabot Trail gilt als eine der schönsten Panoramastraßen Nordamerikas und die Wanderung oberhalb der Steilküste als ein Muß. Die Aussichtspunkte sind in der Tat spektakulär, doch am meisten fasziniert uns eine Elchkuh, die mit ihrem Nachwuchs ca. 20 Meter neben unserem Wanderweg liegt. Normalerweise können Elche ziemlich unangenehm und agressiv werden, doch uns wird versichert, dass sie in diesem Nationalpark an Menschen gewöhnt sind und uns somit nicht tot trampeln werden. In anderen Regionen Kanadas wären wir vorsichtiger gewesen.

Wir folgen weiter der schönen Küste, mal schroff mit steilen Klippen und Felsen, dann wieder mit gemütlichen kleinen Buchten. In Annapolis Royal besuchen wir auch das Fort und essen leckeren Kuchen in der deutschen Bäckerei.

Wir kürzen unsere Rundtour über die Nova Scotia-Halbinsel ab, denn wir wollen in Kanada endlich auch Kanu fahren. Unser Ziel ist der Kejimkujik Nationalpark. Das Wetter passt und los geht’s.

Schon oft haben uns die Kanadier von Lunenburg erzählt, einer "deutschen" Stadt aus dem 18. Jahrhundert, die wir unbedingt besuchen müßten. Sie liegt auf unserem Weg nach Halifax, von wo wir unseren Toyopedi nach Europa verschiffen, also passt der Stop. Und das Städtchen ist sehenswert. Nicht wirklich deutsch, dafür wie so oft schön bunt, mit kleinen hübschen Holzhäusern, aber auch eleganten alten Villen.

Lunenburg ist Kanadas älteste deutsche Siedlung und die Gründung folgte einer Anwerbeaktion der damaligen britischen Kolonialherren, die gezielt die als strebsam und fleißig geltenden Deutschen zum Aufbau ihrer Kolonie gewinnen wollten, da das bislang aus England übersiedelte "trinkfeste Lumpenpack" nicht viel dazu beigetragen hatte.

Entlang der "Lighthouse Route" passieren wir den angeblich meist fotografierten Leuchtturm Nova Scotias, was sicherlich an seiner beeindruckenden Lage auf einem Felsplateau liegt, vielleicht aber auch an der Nähe zu Halifax, denn nicht nur die Kreuzfahrttouristen haben diesen Leuchtturm oberhalb eines malerischen Fischerortes in ihrem Besuchsprogramm.

Halifax ist eine moderne Hafenstadt mit Einkaufsstraßen und einer netten Kneipenszene.

Wir bereiten uneren Toyopedi auf die Schiffspassage vor, d.h. Gasflasche leeren, Fahrerkabine ausräumen und alles sicher in der Kabine verstauen. Reisetaschen werden gepackt, denn wir werden noch eine Woche Familienurlaub in Lissabon verbringen, und dann geht es auch schon los. Die Abgabe im Hafen verläuft problemlos, lediglich die Fahrgestellnummer wird überprüft, und wir können die Wohnkabine und die Staufächer abschließen.

Wir hoffen, daß auch die Überfahrt ohne Probleme verläuft und wir unser Reisemobil im Oktober unbeschädigt in Antwerpen in Empfang nehmen können.

RÜCKBLICK

Mit der Abgabe des Toyopedi im Hafen von Halifax geht unsere Reise durch den amerikanischen Kontinent zu Ende. Fast auf den Tag genau sind wir vor 5 Jahren in Montevideo, Uruguay, gestartet. Innerhalb dieser 5 Jahre waren wir fast 3 Jahre unterwegs und haben 19 Länder bereist. Dabei haben wir über 50 Mal eine Grenze passiert. Wir haben an 679 verschiedenen Plätzen übernachtet, von traumhaft schönen Stränden bis zur Warteschlange an einer Fähre zwischen den LKWs. Insgesamt sind wir 134.379 Kilometer gefahren und haben dafür 20.566 Liter Diesel gebraucht. Wir waren am südlichsten, nördlichsten, westlichsten und östlichsten Punkt des amerikanischen Kontinents, der mit einem geländegängigen Fahrzeug erreichbar ist. Dabei hatten wir niemals einen Platten und haben 3 Sätze Reifen gebraucht. 13 Mal hat unser Toyopedi frisches Motoröl bekommen. In keinem der bereisten Länder war Motoröl und Diesel so teuer wie in Europa.

Was hat uns besonders beeindruckt? Welches Land hat uns am besten gefallen wurden wir häufig gefragt.
Zuallererst die atemberaubenden Landschaften und vor allen Dingen ihre Vielfalt. Die Schönheit der Gletscher und spektakulären Berge in Patagonien und den Anden, die wir später in den kanadischen Rocky Mountains und in Alaska wieder erlebt haben und für uns zu den Höhepunkten der Natureindrücke zählt. Dazwischen die tropischen Regionen Ecuadors und der zentralamerikanischen Länder sowie die karibischen Strände Kolumbiens, Belizes und Mexikos. Die unwirklichen Landschaften Boliviens, die Vielfalt Chiles und die Vulkane Guatemalas. Die Schönheit der Wüsten in Mexiko und den südlichen USA, ebenso die atemberaubende Kulisse des Grand oder Bryce Canyon. Zuguterletzt die Weite Kanadas, seine Unberührtheit und Einsamkeit.

Sehr beeindruckt haben uns die Zeugnisse alter Kulturen in Mexiko, Guatemala und Honduras, das traditionelle und indigene Bolivien, die kulturelle Vielfalt Mexikos sowie die wunderschönen alten Kolonialstädte, die wir in Süd- und Mittelamerika besucht haben.

Und natürlich die Menschen! Wir haben unglaubliche Armut und ungeheuren Reichtum gesehen. Wie verschieden ist unsere Welt, wenn man nach Nicaragua oder Peru schaut und dann in die Metropolen Nordamerikas oder ins Silicon Valley? Aber egal wo wir waren, wir haben uns immer sicher gefühlt, es gab keine gefährlichen Situationen und niemals ist etwas Unangenehmes passiert. Auch wurde uns weder etwas gestohlen noch in unser Auto eingebrochen. Die vielen Grenzübertritte konnten wir ohne größere Probleme meistern, niemals wurde von uns "Geld ohne Quittung" verlangt, was wir aus Osteuropa anders kennen. Polizeikontrollen liefen immer höflich ab, nur zweimal versuchte ein korrupter, am Ende erfolgloser Polizist mit uns Geld zu verdienen.

Die unglaubliche Gastfreundschaft: immer sind wir freundlich empfangen worden, teilweise geradezu mit Begeisterung, und fühlten uns willkommen. Wir haben neue Freundschaften geschlossen, mit Einheimischen und gleichgesinnten Reisenden, und viele Menschen haben uns in vielen Angelegenheiten geholfen, sie alle aufzuzählen würde hier zu weit führen. An alle senden wir ein großes Dankeschön, wer dies mit Hilfe von Google Translate liest: muchas gracias, thank you very much, muito obrigado!

Machen wir weiter? Sicher, so lange es uns gesundheitlich gut geht möchten wir noch mehr entdecken. Wohin geht es? Das werden wir uns noch überlegen. Die Welt verändert sich so schnell und leider wird sie nicht sicherer. Vielleicht gibt es morgen schon wieder ein Land, das man nicht mehr bereisen kann. Unser Toyopedi braucht nach der langen Tour eine kleine Auszeit für Pflege und kleinere Reparaturen und wir werden eine längere Zeit zu Hause geniessen. Aber wir sind sicher, dass uns Fernweh und Abenteuerlust bald wieder auf die Pisten der Welt locken wird.

Auf Wiedersehen - Bye Bye - Hasta Luego!