4. Reisebericht: Es bleibt hell!
23. Mai - 1. Juni 2018
In strammen Fahretappen geht es nordwestlich Richtung Alaska und es wird abends nicht mehr dunkel. Wir sind am 57. Breitengrad und um 11 Uhr abends ist immer noch Dämmerung. Das Polarmeer - unser nödlichstes Ziel - ist noch über 1.500km weiter im Norden, dort geht die Sonne im Sommer gar nicht mehr unter.
Die Landschaft ist Kanada wie aus dem Bilderbuch: endlose Wälder, glasklare Seen, mächtige mit Schmelzwasser gefüllte Flüsse und schneebedeckte Berge. Die Zeichen menschlicher Besiedelung werden weniger, dafür nehmen die Bärensichtungen deutlich zu.
Von fast 30 Grad und strahlendem Sonnenschein in den Rockies sind wir jetzt wieder bei 10 Grad und haben bei nur 200 Höhenmetern Schneereste am Straßenrand. Wir machen einen Abstecher nach Hyder, der US-amerikanischen Enklave vor der Westküste Kanadas. Der südlichste Zipfel Alaskas liegt hier wie ein Pfannenstiel vor Kanada und ist straßenmäßig auch nur von Kanada aus zu erreichen, oder vom Pazifik über den 180km langen Portland Kanal. Einen US-Grenzposten gibt es nicht, denn es gibt keine Verbindung zu anderen Orten in Alaska. Genauso vergessen und verlassen wirkt auch der kleine Ort.
Wir fahren weiter im Nirgendwo zum Salmon-Gletscher, dem Ausläufer eines riesigen Eisfeldes oberhalb von Hyder.
Wir erreichen den Yukon, das einsame Land im Nordwesten Kanadas, flächenmäßig so groß wie Deutschland. Die Einwohnerzahl des Yukon liegt bei 37.000, davon leben 28.000 in Whitehorse, der Hauptstadt des Territoriums. Im Städtchen Watson Lake sollte ein heimwehkranker Soldat beim Bau des Alaska Highways in den 1940er Jahren einen Wegweiser reparieren und stellte ein Schild seines Heimatortes auf - bis heute ist der Schilderwald auf über 86.000 angewachsen und ständig kommen Neue dazu.
Wir machen erneut einen Abstecher an die Küste in eine US-Enklave und fahren durch wunderschöne Bergwelten nach Skagway, der zu Zeiten des Goldrausches größten Stadt Alaskas und Ausganspunkt der langen und beschwerlichen Tour zu den Klondike-Goldfeldern.
Wir passieren die "Carcross Dessert", die kleinste Wüste der Welt, eingebettet zwischen Wäldern und schneebedeckten Bergen. Die "Wüste" ist keine echte Wüste, sondern der Boden eines ehemaligen Gletschersees.
Bei einem Spaziergang durch die kleine Siedlung Carcross kommen wir mit einem Ladenbesitzer ins Gespräch, der uns erklärt, heute besser nicht nach Skagway zu fahren. Warum? Nun, der beschauliche Ort mit knapp 1.000 Einwohnern am Ende eines langen Fjordes ist Anlaufpunkt der großen Kreuzfahrtschiffe auf ihrer Tour durch die "Inside Passage", der bekannten Schiffsroute durch die Inselwelt vor Kanadas und Alaskas Küste, und heute haben 4 Kreuzfahrtschiffe mit rd. 10.000 Passagieren angelegt.
Wir setzen unsere Tour trotzdem fort und sehen auf der einsamen Landstraße fünf Mal Bären am Straßenrand.
Auf der bislang einsamen Strecke kommen uns immer mehr Tourbusse entgegen, jeder Aussichtspunkt ist belegt - vielleicht machen die meisten Passagiere ja einen Ausflug ins Landesinnere? Dem ist dann doch nicht so und in dem kleinen Ort ist richtig Trubel, und wir fragen uns ob die vielen Geschäfte und Restaurants an den "kreuzfahrtfreien" Tagen wohl geschlossen haben, denn von Skagway geht es nur noch per Schiff weiter und ohne die Gäste der Kreuzfahrtschiffe wird das hübsche Städtchen ziemlich ausgestorben sein.
Wir wollen die schöne Strecke durch den Fjord bis zur nächsten Straßenanbindung per Fähre zurücklegen. Das Wetter passt und wir genießen die Fahrt nach Haines, einem traumhaft zwischen Bergen und Gletschern gelegenen kleinen Ort am Lynn Canal.
Auf einer herrlichen Panoramastrecke geht es zurück nach Kanada und auf dem Alaska Highway weiter in den nördlichsten Bundesstaat der USA.