2. Reisebericht: Baltikum I - Nordwärts

28. Juli - 15. August 2021

Zur Erinnerung:
Litauen: Einwohner 2,8 Millionen, Hauptstadt: Vilnius,
Lettland: Einwohner 1,9 Millionen, Hauptstadt: Riga
Estland: Einwohner 1,3 Millionen, Hauptstadt:Tallinn.
Alle drei Staaten zusammen sind von der Fläche etwa halb so groß wie Deutschland mit seinen 83 Millionen Einwohnern.
Schon an der Grenze stellen wir fest, dass es entspannt zugeht. Die langsam verfallenen Grenzanlagen sind kaum noch als solche zu erkennen, ein einsamer Polizist winkt uns freundlich zu und wir sind eingereist.
Waren in Masuren noch viele polnische Urlauber unterwegs, zum Glück immer noch ohne dass die Feriengebiete überlaufen wirkten, ist unser erster Eindruck von Litauen: einsam. Nach einem kurzen Zwischenstopp im Städtchen Druskininkai in der südöstlichsten Ecke des Landes, besuchen wir ganz in der Nähe ein Freilichtmuseum der speziellen Art. Hier hat ein reicher litauischer Bürger Skulpturen aus dem ganzen Land gesammelt, und zwar die ausrangierten sozialistischen Monumentalstatuen, die nach der Unabhängigkeit abgebaut wurden. In einem angelegten Park im Wald "ruhen" die teilweise riesigen Statuen von Marx und Engels sowie Lenin, Stalin und anderen Helden der Sowjetunion.

Nächster Stopp ist die Hauptstadt Vilnius. Es gibt einen 24 Std.-Parkplatz am Burgberg, 10 Minuten von der Altstadt entfernt, auf dem man mit dem Wohnmobil über Nacht stehen bleiben darf. Wir "mieten" uns ein und genießen nach der Einsamkeit das Leben in der Altstadt mit ihren unzähligen Pubs, Lounges und Restaurants.

  • Blick auf das moderne Vilnius, im Vordergrund: Nationalmuseum

  • Palast der Großfürsten

  • Reste der Oberen Burg

  • Gediminas Turm: Wahrzeichen von Vilnius

  • Kathedrale St. Stanislaus

  • Seitenansicht mit Glockenturm

  • Großer Hof der Universität

  • Johanniskirche und Glockenturm

  • ein weiterer Campus der Universität

  • Rathausplatz

  • Altstadtgasse

  • Annenkirche

Besonders gut gefällt uns die alte Universität, mitten im Stadtgebiet gelegen, mit ihren historischen Gebäuden die immer um einen verträumten Campus gruppiert sind. Auch die „Freie Republik Uzupis“ besuchen wir, das Boheme-Viertel der Stadt mit seinen Künstlern und Lebenskünstlern. Gleich beim Betreten der "Republik" ist in 41 Punkten die Verfassung angeschlagen – von lustig bis philosophisch. Seit 1997 gibt es diese Mischung aus alternativem Lebensstil, Freiheitsliebe und Sinn für Humor - letztlich ist es ein nettes Restaurant-, Kneipen-, Galerien- und Künstlerviertel.

Trakai ist wohl die schönste Festungsanlage des Baltikums. Die mächtige Burg wurde im 14. Jahrhundert von Großfürst Vytautas erbaut und liegt auf einer kleinen Insel des Sees Galve. Sie ist die einzige Inselburg Osteuropas und man könnte glauben, sie ist nur für schöne Fotos erbaut worden. Heute ist sie ein litauisches Nationalsymbol.

Von Trakai fahren wir über einsame Landstrassen entlang der Bögen und Schleifen des Flusses Memel nach Kaunas. Litauens heimliche Hauptstadt wird sie genannt, denn das war sie vor ca. 100 Jahren für wenige Jahre. Für uns wirkt sie sehr ruhig und entspannt, wenn auch die schönste Straße zum Bummeln durch die Altstadt leider wegen Bauarbeiten durchgehend gesperrt ist. Man rüstet sich wohl für 2022 wenn Kaunas die „Kulturhauptstadt Europas“ wird. Der Höhepunkt für uns ist ein uriges kleines Restaurant mit litauischen Spezialitäten, alle aus Kartoffeln hergestellt und unglaublich lecker.

  • Aussichtsturm: 350 Stufen
  • für einen Blick auf den Memelbogen

Auf unserer Fahrt in den Norden halten wir bei Siauliai am "Berg der Kreuze". Nach den von den Russen niedergeschlagenen Aufständen in 1831 und 1863 stellten die Menschen auf dem nur 10 Meter hohen Hügel Kreuze für die getöteten Litauer auf. Später, in den 1950er Jahren, kamen Kreuze für die Opfer der sowjetischen Straflager hinzu. Immer wieder wurden sie von den sowjetischen Besatzern zerstört, jedes Mal wurden sie neu aufgebaut und jedes Mal kamen noch mehr Kreuze hinzu. Heute schätzt man, dass es sich um mehr als 100.000 Holz-und Metallkreuze in allen Größen und Stilen handelt.

  • Schöne Burg am Ufer der Memel

Lettland

Wir lesen nach: die Top10-Sehenswürdigkeiten von Lettland und stellen fest, dass wir uns Top 2, dem Schloss Rundales, gerade nähern. Als Top 1 gilt Riga, die Hauptstadt, die wir uns für die "Südwärts"-Route aufheben.
Also "buchen" wir das volle Programm und sehen uns das Schloss auch von innen an, denn es gilt als das schönste Barockensemble des Landes. Wir sind erleichtert, dass wir keine geführte Tour machen müssen, sondern alleine durch die prachtvollen Räume und Sääle schlendern dürfen. Ein Spaziergang durch den englischen Garten rundet den Besuch ab.

War es in Litauen der Fluß Memel, der sich quer durch das Land schlängelte, ist es in Lettland die Daugava, die das Land von Ost nach West durchfliesst. Wir fahren entlang des Flusses nach Osten und legen einige Stopps ein.

  • Deutschordensburg in Bauska

  • Nachbau einer Holzburg aus dem 12. Jh. in Lielvärde

  • Burgruine von Lielvärde

  • Nettes Museum

  • Burgruine von Koknese

  • Übernachtungsplatz an der Daugava

Im ostlettischen Ludza drehen wir nach Norden ab. Im Handwerkszentrum des kleinen Städtchens erwerben wir kleine Schnapsbecher für unseren Toyo aus der für die Gegend typischen Keramik - das Essen in den baltischen Staaten soll ja eher deftig sein. Entlang der russischen Grenze geht es über kleine Landstraßen nach Aluksne, mit einem Stopp an der schön renovierten Palastanlage von Stämeriena. Hier wurden EU-Gelder sicher gut eingesetzt, denn die "vorher-nachher" Bilder zeigen eindrucksvoll die gelungene Restaurierung.

  • Nicht zu weit Richtung Osten fahren...
  •  Burgruine von Ludza
  • Trachten im Handwerkszentrum

Aluksne, an einem großen See gelegen und mit Resten einer Ordensburg auf einer kleinen Insel, ist einen Spaziergang wert und wir quartieren uns im Campingbereich eines privaten Gartens am See ein. Saunabesuch inklusive.

  • Reste der Ordensburg von Aluksne
  • Schloss
  • Toyo-Parken mit Aussicht
  • Evangelische Kirche
  • Camping im schönen Garten
  • mit Seerosenteich
  • und Seeblick

20km weiter nördlich haben wir die nächste Grenze erreicht und biegen 5km vor der russischen Grenze nach Estland ab.

Estland

Alle drei baltischen Staaten liegen an der Ostsee und haben zusammen eine Küstenlänge von knapp 4.400 Kilometern. Davon gehören 3.794 Küstenkilometer zu Estland. Die nördliche Spitze liegt in etwa auf Höhe von St. Petersburg, Helsinki und Oslo. Gut die Hälfte der Fläche ist von Wald bedeckt, es gibt viel Regen und man fährt unendlich viele Kilometer einfach nur durch grün.
Was ist außerdem typisch für Estland?
Esten sind sehr sprachbegabt, besonders das Englischniveau ist hoch. Zu Estland gehören mehr als 2.000 Inseln. Die Esten gelten als achtsame und rücksichtsvolle Autofahrer. Estland ist mit seinen 1,3 Millionen Einwohnern zwar das kleinste Land im Baltikum, aber trotzdem flächenmäßig größer als die Schweiz, Niederlande oder Belgien. Es gibt somit viel Fläche für wenig Esten. Die Esten gelten als wenig religiös, Estland soll sogar das am wenigsten religiöse Land der Welt sein. Estland ist das digitalste Land Europas aufgrund des flächendeckenden Internets - Internt ist quasi ein Grundrecht. Zurückhaltung ist Trumpf: Esten gelten allgemein als zurückhaltend und können schon mal grimmig schauen. Ohne Sauna geht es nicht - zwar gelten die Finnen als die Saunanation Nummer 1, doch die Esten sind nicht weit davon entfernt. Esten atmen die sauberste Luft und Estland gehört weltweit zu den Ländern mit den besten Luftverhältnissen.
Eigentlich kein Wunder bei der Lage direkt am Meer, dem großen Waldbestand und den wenigen Einwohnern.

Die Einreise nach Estland läuft wieder problemlos, niemand interessiert sich für uns und die alte Grenzstation ist unbesetzt. Unser erstes Ziel ist ein einsam gelegenes Bauernhaus von einem netten Franzosen und seiner estnischen Frau in der östlichsten Ecke des Landes. Zwei Tage ausruhen vom „Reisestress“ und schon geht die Besichtigungstour weiter. Am Weg die Ruine einer Kreuzritterburg, dann geht es weiter in die Studentenstadt Tartu und zu einem schön renovierten Schloss.

  • Romantischer Stellplatz auf dem Bauernhof
  • Burgruine von Vastseliina
  • Rathaus
  • und Marktplatz von Tartu
  • "Balmoral Castle" in Alatskivi

Übernachtet wird am Peipussee, sieben Mal größer als der Bodensee und das fünftgrößte Binnengewässer Europas. Die Grenze zu Russland verläuft mittendurch das 140km lange, 50km breite und durchschnittlich 8 Meter tiefe Gewässer.

Dass die Ostsee außer schönen Sandstränden auch bis zu 42 Meter hohe Steilküsten hat, wussten wir nicht. Wir parken für die Nacht an einer Steilküste mit tollem Rundumblick und befürchten von dem starken Sturm ins Meer geweht zu werden. Für die nächsten Tage, auf dem Weg in den Lahemaa Nationalpark, werden wir uns ruhigere Übernachtungsplätze suchen.

Lahemaa bedeutet "Land der Buchten" und das beschreibt den Nationalpark sehr treffend. Vier kleine Halbinseln ragen ins Meer, größtenteils dicht bewaldet und mit einem Naturphänomen, dass es gar nicht mehr so oft zu bewundern gibt: Hochmoore, auch Regenmoore genannt. Sie speisen sich ausschließlich aus Niederschlägen.
Wir stapfen 6km über Holzstege durch den Sumpf und fahren die Landfinger auf kleinen gewundenen Straßen durch endlose Birken- und Nadelwälder ab.

  • Toller Übernachtunsplatz an der Ostsee
  • Nördlichster Punkt Estlands
  • Schöne Campspots
  • der estnischen Forstverwaltung
  • Gutshof Palmse im Nationalpark

Wir besuchen noch die Reste einer alten russischen U-Boot-Basis, inzwischen größtenteils verfallen, und heute teilweise als Marina genutzt.

In Tallin, der Hauptstadt Estlands, haben wir uns für drei Nächte auf einem kleinen aber sehr schönen "Mini-Campingplatz" im Garten eines Privathauses nahe der Altstadt eingebucht. Tallinn soll die schönste der drei baltischen Hauptstädte sein und die Altstadt ist natürlich UNESCO Welterbe.

Wir können die Aussage definitiv unterschreiben, dass Tallin eine der hübschesten und sympathischsten Städte Europas ist. Wir haben Riga, die Metropole des Baltikums, noch nicht gesehen, doch wir können uns nicht vorstellen, dass die "Metropole" Tallinn toppen kann. Wir werden es bald sehen, denn von nun an geht es in diese Richtung weiter: südwärts.