5. Reisebericht: El Chepe & Pazifikküste

14. Dezember 2015 - 1. Januar 2016

Der „Chepe“ (Ferrocarril Chihuahua-Pacifico) ist eine Eisenbahnlinie, die von der Küste in die Sierra Madre führt und knapp 2.500 Höhenmeter überwindet. Die spektakuläre Bahnstrecke führt über 650 Kilometer von Los Mochis an der Küste nach Chihuahua im zentralen Hochland und diente dazu, die Silbervorkommen aus der Sierra Madre an den Pazifik zu bringen. Die Ingenieursleistung, die beim Bau der Strecke vor fast 100 Jahren erbracht wurde, ist beeindruckend: 86 Tunnel und 37 Brücken, teilweise überkreuzt sich die Strecke oder schraubt sich in einer Spirale nach oben und führt viele Meter höher an den Berg geklebt weiter, mit tollen Ausblicken auf die tiefer werdenden Schluchten.

Wir konzentrieren uns auf den spannenden Teil der Strecke von El Fuerte bis nach Creel, was allerdings fast 8 Stunden gemütliche Fahrt auf einer einmalig malerischen Strecke bedeutet. Unser Auto ist sicher an einem Hotel in El Fuerte geparkt und in Creel verbringen wir die Nacht in einem schönen Hotel, allerdings ziemlich "schock" gefroren, denn auf 2.500 Metern haben wir Nachtfrost und noch dazu heftigen, eisigen Wind. Da es keine zentralen Heizungen gibt, ist auch die Temperatur im Restaurant und der Bar des Hotels, trotz drei offener Kamine, nicht im Wohlfühlbereich und die Gäste sitzen alle in Daunenjacken vor ihren Drinks. Auch der Gaskamin in unserem Zimmer schafft es nicht, die Temperaturen die wir gewöhnt sind zu erreichen und so schlafen wir im Sweatshirt und mit dicken Socken.

  • Mit Jacke und Kaminfeuer
  • im kalten Creel
  • "Versorgung" der Züge

Am nächsten Tag genießen wir die Fahrt aus den Bergen und freuen uns bei jedem Meter bergab wieder auf die „normale“ mexikanische Wintertemperatur mit 25 bis 35 Grad Celsius.

Pazifikküste

Zurück an der Pazifikküste geht’s südwärts, wir passieren die Städte Mazatlan und Puerto Vallarta, übernachten an wunderschönen Stränden und fühlen uns auf einem Wohnmobilpark mit amerikanischen und kanadischen Dauercampern in eine Disney-Weihnachtswelt versetzt, so wild und bunt sind die WoMos sowie die Palmen und Büsche rund herum geschmückt. Auf einem WoMo steht eine übergroße aufblasbare Harley Davidson auf der natürlich der Weihnachtsmann sitzt.

Ein schöner Stop ist der Besuch einer Forschungs- und Aufzuchtstation für Meeresschildkröten, die aber so versteckt am Strand liegt - und natürlich fehlt aus unserer Fahrtrichtung mal wieder das Hinweisschild zum Abbiegen -, daß wir fast 2 Stunden suchen müssen.

Somit kommt unser Zeitplan etwas durcheinander, denn wir wollen vor Sonnenuntergang einen Strand erreichen, an dem es einen „Parador Turistico“, eine staatliche Ferienanlage mit Camping gibt. Da wir in das Drogenkartellgebiet kommen, wollen wir keinesfalls nachts fahren und auch nicht „wild“ am Strand übernachten. Auf dem Weg an der Küste Richtung Guatemala müssen wir ca. 200 km durch Kartellgebiet fahren oder einen Umweg von ca. 700 km auf uns nehmen. In diesem Gebiet herrscht „La Familia“ und Polizei oder Militär traut sich dort nicht hin. Unser Reiseführer schreibt, daß Touristen unbehelligt bleiben und in manchen Fällen sogar geholfen wurde. Laut unserem Navi müssten wir kurz vor Dunkelheit das Ziel erreichen. Wir passieren den letzten Polizeiposten der Policia Federal, die dort ein Hotel bezogen hat, denn der Parkplatz ist voll mit ihren großen Geländewagen. Kurz darauf passieren wir den letzten Militärposten – niemand hält uns auf, es wird nur freundlich gewinkt. Die Straße ist leer, jetzt fühlen wir uns einsam, und dann passiert es: die Straße vor uns ist mit großen Tonnen gesperrt. Dahinter sehen wir eine lange Schlange LKWs auf beiden Seiten der schmalen Straße stehen. Wir fahren langsam bis zur Sperre und junge Leute mit Funkgeräten halten uns an, einige tragen Waffen. Wir befürchten, daß wir zumindest die Nacht hier verbringen müssen, denn es scheint eine aus Protest eingerichtete Straßenblockade zu sein. Dann kommt die Überraschung: sehr höflich werden wir gefragt, wohin wir fahren wollen und aus welchem Land wir denn kommen. Wir geben die Auskünfte, die Tonnen werden zur Seite geräumt und selbstverständlich können wir weiter fahren. Wir passieren die LKWs und als wir am anderen Ende der Sperre ankommen ist man informiert, grüßt uns und hat die Tonnen bereits weggeräumt. Somit kommen wir bei Einbruch der Dämmerung sicher an unserem Strand an.

In den nächsten Tagen erleben wir Traumstrände, nette, kleine Fischerdörfer, essen die besten Meeresfrüchte, frische Fische und eine riesige Hummerplatte zu Preisen, zu denen man in Deutschland kaum eine Currywurst mit Pommes erhält.

Doch das Highlight ist unsere Nacht mit den Meeresschildkröten. Von einem Aussichtspunkt schauen wir auf einen menschenleeren Strandabschnitt und erkennen mit dem Fernglas viele Spuren im Sand, die darauf schließen lassen, dass hier Meeresschildkröten zur Eiablage kommen. Wenig später entdecken wir auch eine kleine Station, die den Strand schützt und sich um die Eier kümmert. Wir fragen nach und tatsächlich sind wir dieses Mal zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Spuren der Schildkröten
Spuren der Schildkröten

Wir suchen uns einen Übernachtungsplatz in der Nähe und sind um 21 Uhr vor Ort. Der Ranger führt uns zu einem eingezäunten Platz, an dem die Nester von den Tierschützern angelegt wurden, und bedeutet uns zu warten. Und tatsächlich: pünktlich, ca. 3 Stunden nach Sonnenuntergang, beginnen die Kleinen zu schlüpfen. Wie aus einer Quelle sprudeln plötzlich aus einem Nest, das heißt aus dem weichen Sand, ca. 70 bis 80 ungefähr 10 cm große Meeresschildkröten hervor. Und das nicht nur aus einem Nest! Wir helfen dem Ranger die zappelnden kleinen Schildkröten in Plastikkisten zu laden und anschließend direkt an den tosenden Wellen auszusetzen. Würde das nicht so gemacht, wären ca. 95 – 98% der Kleinen auf ihrem Weg zum Meer von den in der Dunkelheit wartenden und um uns herum schreienden Pelikanen, Möwen und anderen Vögeln aufgefressen worden. Später in der Nacht beobachten wir die zahlreichen, gigantischen Muttertiere, die an diesen Strand kommen, Löcher graben, Eier ablegen und sich erschöpft zurück ins Meer schleppen. Die Spuren dieser Tiere haben wir schon auf den Galapagos Inseln gesehen, aber jetzt sowohl die Eiablage als auch die Geburt zu sehen war für uns etwas ganz Besonderes. Ein unglaubliches Erlebnis!

Später erfahren wir auch den Grund der Straßensperre. In diesem Gebiet haben die Küstenbewohner angefangen sich gegen die Drogenkartelle zu wehren. Denn aufgrund der Drogenkriminalität blieben die Touristen aus und ihre kleinen Einnahmen aus dem Tourismus versiegten. Noch dazu gab es häufig Überfälle seitens der armen Bevölkerung aus den Bergen auf die Touristen an der Küste. Da die staatliche Polizei nichts unternahm, hat man die Sache selbst in die Hand genommen, die Polizei fortgejagt, Autos und Waffen konfisziert und für „Ruhe“ gesorgt. Jedoch ist inzwischen der selbsternannte „Polizeichef“ verhaftet worden und dagegen wurde mit der Straßenblockade demonstriert. Wenn alle Informationen stimmen, die wir über diesen Abschnitt erhalten haben, befanden wir uns in einer der sichersten Gegenden unserer Reise.

Nach mehreren Tagen wunderschöner Strandaufenthalte fahren wir aus dem Kartellgebiet heraus und es hat wieder Polizei auf der Straße und auch Tankstellen. Auch der Verkehr wird dichter, denn wir erreichen Acapulco, wo wir Weihnachten verbringen. Viel gibt es in der Stadt nicht zu sehen, die riesige halbmondförmige Bucht mit Strand erinnert uns ein wenig an Rio de Janeiro, nur wirkt alles etwas bodenständiger. An den breiten Badestränden vor den Hotels und Appartment-Hochhäusern reihen sich kleine Restaurants aneinander, und auch die Einheimischen können sich hier noch ihre Meeresfrüchte leisten. Es wird bis an den Strand serviert und am 25. Dezember ist alles voll mit mexikanischen Familien. Wir besuchen eine Vorführung der berühmten Klippenspringer von Acapulco, die sich aus 40-50 Metern Höhe ins Meer stürzen. Wirklich beeindruckend!

Silvester verbringen wir noch weiter südlich in Puerto Arista. Hier betreibt ein netter Kanadier seit 25 Jahren einen schönen Campingplatz, toll gelegen zwischen einer Lagune und dem Meer. Sind wir am 30. Dezember noch allein auf dem Platz, füllt er sich am 31. und wir haben die ganze Nacht Fiesta Mexicana. Hier können wir nicht - wie letztes Jahr in Kolumbien - den Jahreswechsel verschlafen. Unser Highlight ist eine Tour durch die Lagune mit dem Kanu des Kanadiers. Wir sind völlig alleine unterwegs und machen faszinierende Vogelbeobachtungen. Dass die wunderschönen Mangroven voller großer Krokodile sind, verrät uns Joe erst nach unserer Rückkehr, kurz vor Einbruch der Dunkelheit.