7. Reisebericht: Königreich Saudi-Arabien
9. Februar - 2. März 2020
Ein Land, das einer Familie gehört.
Ein Land, das ein Viertel der Welterdölreserven besitzt und der größte Erdölexporteur der Welt ist.
Ein Land, das sechs Mal so groß wie Deutschland ist und zu zwei Dritteln aus Sand- und Geröllwüsten besteht.
Ein Land, das zu den Konservativsten der Welt zählt.
Ein Land, das erst seit wenigen Monaten Touristenvisa erteilt.
Ein Land, in dem Frauen seit eineinhalb Jahren Auto fahren dürfen und wohl in Kürze nicht mehr die Erlaubnis ihres Mannes benötigen, um zu reisen.
Ein Land, in dem in den Restaurants strikte Geschlechtertrennung herrscht und die Mehrzahl nur Männern zugänglich ist.
Ein Land, das Geschäfte und Supermärkte schließt, wenn zum Gebet gerufen wird.
Ein Land, in dem der König absoluter Herrscher, oberster Richter und geistliches Oberhaupt in Personalunion ist.
Ein Land, in dem es noch Bestrafung in Form von Stockhieben und öffentliche Hinrichtungen gibt.
Ein Land, das keine Verfassung, kein Parlament, keine Parteien und keine Gewerkschaften kennt.
Ein Land, in dem ca. 30 Millionen Menschen leben, davon ca. 7 Millionen Gastarbeiter, meist aus Pakistan, Bangladesh und Indien.
Ein Land, das die Dorfstrasse zum Strand zu einer beleuchteten 8-spurigen Autobahn ausbaut.
Ein Land, in dem jede Form von Alkohol streng verboten ist.
Ein Land, das sich im Umbruch befindet und dessen Modernisierung erst am Anfang steht.
Wir sind gespannt!
Die Einreise verläuft unproblematisch und zügig. Unser Reisemobil wird registriert, das Carnet de Passage interessiert beim Zoll niemanden. Eine Haftpflichtversicherung kann noch innerhalb der Grenzanlagen schnell abgeschlossen werden und bei einem Preis von ca. 12 Cent pro Liter Diesel macht auch das Tanken wieder richtig Spaß. Bis in die Hauptstadt Riyadh haben wir mehr als 500km Wüstendurchquerung vor uns.
Riyadh
Die Hauptstadt ist schon im Umbruch, denn es wird eine U-Bahn gebaut und die Großbaustellen sind allgegenwärtig. Weder passt die geänderte Straßenführung zu unserem Navi, noch macht es Spaß die "prächtigste Einkaufsstrasse" der Stadt entlang zu bummeln, denn es gibt keine Bürgersteige mehr und die meisten Geschäfte haben wegen der Bauarbeiten geschlossen.
Mitten im Zentrum wurde die größte Museumsanlage der arabischen Halbinsel errichtetet und der schöne ehemalige Königspalast in den Komplex integriert. Ebenso besuchen wir das Fort Qasr Al Masmak, dessen Rückeroberung durch den späteren Staatsgründer Abdul Aziz ibn Rahman Al Saud den Grundstein für das heutige Saudi-Arabien legte.
Nördlich von Riyadh liegt das historische Diriyyah, Anfang des 18. Jhdts. die erste Hauptstadt des Beduinenstammes der Al Saud und 100 Jahre später von den Osmanen zerstört. Teile der riesigen Oasensiedlung mit mehrstöckigen Lehmhäusern und Palästen wurden wiederaufgebaut und gelten als eine der Hauptsehenswürdigkeiten des Landes. Doch eine Besichtigung ist nicht möglich - freundlich werden wir auf die große Terrasse gegenüber der Anlage geschickt, mit dem Hinweis, dass man nach vorheriger Anfrage bei der zuständigen Behörde eventuell eine Besuchserlaubnis bekommen könne.
Da muss dann wohl noch ein bischen am touristischen Angebot nachgebessert werden. Tourist der "ersten Stunde" zu sein, bringt leider auch solche Erfahrungen mit sich.
Abha & Asir Gebirge
Weitere 1.000km durch weitgehend monotone Wüstenlandschaft liegen vor uns. An den kilometerlangen Palmenbepflanzungen entlang der Autobahn erkennen wir, daß wir uns einer Stadt nähern. Ein weiteres Indiz sind riesige Parks mit Kinderspielplätzen in denen wir nur sehr selten Kinder sehen, gigantische Stadttore und toll dekorierte Verkehrskreisel.
Wir erreichen Abha. Die Stadt liegt auf 2.500 Metern im Asir Gebirge, das wir auf einer schönen Rundtour erkunden.
Am Roten Meer
Saudi-Arabien hat über 2.000 Kilometer Küstenlinie am Roten Meer. Unzählige Korallenriffe laden zum Schnorcheln und Tauchen ein, viele Strände sind erschlossen mit schattenspendenden Pavillons, Toiletten, Duschen und Beleuchtung in der Nacht. Oft sind Parks mit Kinderspielplätzen angelegt, teilweise hat es Vergnügungsparks mit Imbissen, Food Trucks oder Restaurants. Auch Parkplätze gibt es überall, aber selbstverständlich darf man mit dem Auto auch auf den Strand fahren. Ein Pavillon mit Teppichen zum Beten oder eine kleine Moschee sind ebenfalls immer vorhanden.
Leider sind viele der Strandeinrichtungen ungepflegt und die Strände ziemlich vermüllt und laden daher nicht wirklich zum Baden ein. Obwohl wir überall Angestellte sehen, die den Schmutz aufsammeln, und es unzählige Mülleimer und Container gibt, wird der Müll einfach liegen gelassen oder ins Meer geworfen.
Wir finden einige schöne und saubere Strände und nutzen diese auf unserem Weg nach Jeddah für unsere Übernachtungen.
"Mein Name hat keinen sehr guten Ruf" erklärt uns Osama, ein junger Zahnarzt, der uns in seiner Mittagspause durch die Festung oberhalb seines Heimatortes Dhee Ayn führt. Er kommt regelmäßig zu der malerisch auf einem Felsen thronenden Anlage herauf und freut sich sichtlich, uns die wunderschön restaurierte Festung zu zeigen.
Wir sind noch einmal von der Küste abgebogen und legen einen weitere Etappe in den Norden durch die Berge zurück.
Auf spektakulären Bergstrecken geht es wieder auf über 2.000 Meter, teilweise in dichtem Nebel, doch es eröffnen sich immer wieder tolle Blicke.
Waren die Emiratis und Omanis schon keine sehr rücksichtsvollen Autofahrer, setzt der Fahrstil der Saudis noch einen drauf und die gewagten Überholmanöver sind geradezu rüpelhaft. Wir sind wie immer mit unserem Toyopedi entschleunigt unterwegs.
Mekka müssen wir auf unserem Weg nach Jeddah großräumig umfahren, denn für Nicht-Muslime ist der Zutritt zur Stadt streng untersagt.
Jeddah
Die Hafenmetropole am Roten Meer gefällt uns. Das historische Zentrum der Stadt und die Corniche, die über 50km lange Uferstraße, laden zum Bummeln ein. In der Altstadt wurde in dern 1990er Jahren der Abriß gestoppt und mit der Restaurierung begonnen. Die mehrstöckigen Kalksteingebäude haben alle aus Holz gefertigte Fensterbalkone mit Jalousien, die es den Frauen erlaubten, auf die Straße zu schauen ohne selbst gesehen zu werden.
Auch wenn noch erheblicher Renovierungsbedarf besteht, ist Leben in den Gassen und Geschäften. Die restaurierten Häuser zählen zum UNESCO Weltkulturerbe.
Wahrzeichen der Stadt ist heute die 200 Meter hohe König Fahd Fontäne.
Madain Saleh
Die bedeutendste archäologische Stätte Saudi-Arabiens liegt 800km nördlich von Jeddah in einer Bergwelt, die uns an Utah in den USA erinnert. Es handelt sich um die Felsengräber des Beduinenvolkes der Nabatäer, die im 5. Jhdt. vor Chr. von Petra in Jordanien aus die arabische Halbinsel beherrschten und die Handelswege kontrollierten. Die Oase Hegra - Madain Saleh - war ein Stützpunkt der Karawanen auf ihrem Weg von Indien und dem Süden der Arabischen Halbinsel zum Mittelmeer, und die Nabatäer kassierten Zölle und agierten als Zwischenhändler. Die prächtigen Grabstätten erzählen vom Wohlstand des Volkes.
Die Fahrt von Jeddah nach Al Ula ist abwechslungsreich und wir erkunden zunächst die Region.
Dieses Mal haben wir Glück und können die Kulturstätte besuchen, denn offiziell öffnet das UNESCO-Welterbe erst im Herbst dieses Jahres für Besucher. Doch im Rahmen eines "Winter Festivals" finden in der Region diverse Veranstaltungen statt und die eindrucksvollen Grabstätten sind jeweils für einige Tage in der Woche geöffnet.
Die Wüstenlandschaft ist grandios und wir drehen eine Runde durch die spektakulären Felsformationen bevor wir uns kurz vor der jordanischen Grenze nochmals an einem schönen Strand niederlassen.
Resume Saudi Arabien
Dass in Saudi-Arabien jeder einen vergoldeten Rolls Royce fährt ist ein Irrtum und wir haben nicht einen gesehen, schon gar keinen vergoldeten. Abgesehen von einem Maybach am Kulturministerium mit königlichem Wappen fährt die Bevölkerung in erster Linie Pick up und japanische oder koreanische Limousinen. Den Reichtum des Landes erkennt man eher an der Infrastruktur, z. B. an dem bis in entlegene Gegenden ausgebauten Autobahnnetz, prächtigen Krankenhäusern, den unzähligen Parks mit Kinderspielplätzen, beleuchteten Stränden und den kilometerlangen bewässerten Grünstreifen entlang der Straßen. Die saudische Bevölkerung lebt in einem Wohlfahrtsstaat und nimmt es wie es scheint mit arabischer Gelassenheit, dass die Herrschaft im Land ausschließlich in den Händen der Familie Al Saud liegt.
Tourist der ersten Stunde zu sein ist nicht immer einfach, denn das Land ist vielfach noch nicht auf Besucher vorbereitet. Eines der Highlights des Landes, der erste Familiensitz der Al Saud nahe Riyadh, kann nur nach schriftlicher Anfrage beim Kulturministerium besucht werden. Unser unangemeldetes Auftauchen im Ministerium hat großes Erstaunen hervorgerufen. Auch die Küstenwache und die Polizei, die die über 2.000km Küstenlinie kontrollieren, sind mit dem plötzlichen Auftauchen ausländischer Touristen scheinbar noch überfordert. Unsere Papiere wurden mehrfach kontrolliert und fotografiert und dennoch kamen die Polizisten bei einer der Kontrollen noch zwei Mal zurück, um uns zu befragen. Da sie kein Wort englisch sprachen, gestaltete sich dies nicht ganz so einfach.
Die meisten Saudis freuen sich jedoch ausländische Gäste zu sehen und wir werden täglich mehrfach zu Tee oder arabischem Kaffee und sogar einem Restaurantbesuch eingeladen. Die Willkommenskultur ist ähnlich wie im Iran manchmal fast erdrückend, denn ein "nein" wird nicht akzeptiert. Mehr als einmal werden wir auf der Straße ausgebremst und auch nach Hause eingeladen.
Somit fühlen wir uns einerseits willkommen, aber gleichzeitig auch wie ein Fremdkörper, denn die saudische Gesellschaft funktioniert nach Regeln, die für uns kaum nachzuvollziehen sind. In keinem anderen islamischen Land werden die Regeln des Koran so streng befolgt wie in Saudi-Arabien und die Religion setzt die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Die Einschränkungen für Frauen im öffentlichen Leben und das Verschleierungsgebot sind da nur ein Beispiel.
Landschaftlich hat das Land einiges zu bieten, von tollen Bergstrecken im Süden über endlose Strände am Roten Meer bis zu den spektakulären Felsformationen im Norden.
Ein nicht ganz einfaches Reiseland, aber eine interessante Erfahrung und eine Reise wert.