5. Reisebericht: Mississippi & Tennessee

13. - 24. Dezember 2017

Mississippi

Wir fahren den Mississippi aufwärts bis nach Natchez, wo die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. An ihre Blütezeit zwischen 1810 und 1860, als die Stadt dank des Baumwollhandels eine der reichsten der USA war, erinnern noch heute zahlreiche elegante Stadthäuser der Plantagenbesitzer. Vom Bürgerkrieg unberührt sind in und um Natchez noch mehr als 500 dieser stilvollen „Vorkriegs“-Villen erhalten.

In Natchez beginnt der „Natchez Trace Parkway“ auf dem die Indianer lange vor der Ankunft der Europäer durch die südlichen USA zogen. Auch die ersten Pioniere folgten der 700 Kilometer langen Route zwischen Nashville/Tennessee und Natchez am Mississippi. Wir folgen dieser historischen Route nach Norden und können an verschiedenen Stellen noch heute den eingetretenen Pfad erkennen, der viele Jahrhunderte auch von Farmern genutzt wurde. Sie brachten Ernten oder Nutztiere vom Ohio River Valley auf Booten nach New Orleans, verkauften dann die Ware mitsamt ihrer Boote und ritten oder gingen zu Fuß nach Hause zurück. Natürlich war der Trace auch Anziehungspunkt für viele Glücksritter und Gesetzlose und alte Friedhöfe zeugen von den wilden Zeiten. Heute führt eine gut ausgebaute Straße als Touristenroute entlang des alten Treck. Nicht für den kommerziellen Verkehr zugelassen, fährt es sich sehr entspannt, fast wie durch einen Park. Eine genaue Streckenbeschreibung gibt es zu Beginn des Parkway und somit findet man leicht die Höhepunkte entlang der Route wie 2.000 Jahre alte indianische Grabhügel, Zypressensümpfe, noch erhaltene Gasthäuser, historische Ortschaften etc.

Eine interessanter Stop nahe dem Natchez Trace Parkway ist Vicksburg mit seinem „National Military Park“. Im Jahre 1863 belagerten die Unionstruppen des Nordens das von den Konföderierten gehaltene Vicksburg, um die Kontrolle über diesen Abschnitt des Mississippi zu bekommen. Als die Verteidiger nach fast neun Wochen endlich die Waffen streckten, war das eine entscheidende Wende im amerikanischen Bürgerkrieg. Auf einem Rundkurs fährt man entlang der ehemaligen Gefechtslinien, die alten Stellungen der konföderierten Armee aus dem Süden und der Unionstruppen aus dem Norden sind mit roten und blauen Schildern gekennzeichnet. Auf unzähligen Gedenktafeln wird dargestellt welche Truppe (Bataillon, Kompanie, Regiment, etc.) wo gekämpft hat. Auf einem riesigen Friedhof sind geschätzte 17.000 Gefallene begraben, die während der 47 Tage andauernden Belagerung getötet wurden.

Die Überreste eines Kanonenbootes, das auf dem Mississippi auf eine ferngezündete Mine gefahren ist, wurden nach 100 Jahren geborgen, sorgfältig aufbereitet und wieder zusammengebaut. Es ist heute ausgestellt und ein kleines Museum zeigt die aufwendige Bergung und Restaurierung sowie viele Details, z.B. Utensilien der Soldaten.

Im Städtchen Tupelo "lebt" Elvis - hier erblickte der "King of Rock'n'Roll" das Licht der Welt und die Kleinstadt würdigt das entsprechend: mehr oder weniger alles ist nach Elvis benannt und sein Geburtshaus ist natürlich ein "Memorial-Park". Trotzdem denken bei Elvis wohl nur wenige an Tupelo sondern eher an Memphis in Tennessee...

Tennessee

Der Natchez Trace Parkway endet in Nashville. Wir freuen uns auf die „Music City“ der USA. Obwohl die Stadt für amerikanische Verhältnisse nicht wirklich groß ist, fahren wir wieder auf 8-spurigen Autobahnen mit gigantischen Kreuzen um die Stadt herum. Die drei Campingplätze der Stadt liegen praktischerweiser nebeneinander und ein Shuttle bringt die Gäste in einer halben Stunde ins Zentrum.

Da es regnet verzichten wir auf einen Spaziergang, wir wollen Musik hören. Auf ca. 1/2 Kilometer "Broadway" nebst Seitenstraßen reihen sich Bars und Restaurants aneinander und überall wird Musik gespielt. Wir erfahren, dass pro Tag 50 – 60 Bands und Einzelkünstler auftreten und zwar von 10 Uhr morgens bis 3 Uhr am nächsten Morgen!
Neben Country Music wird auch Blues, Jazz und Rock'n'Roll gespielt und wir ziehen von Bar zu Bar. Trotz des miserablen Wetters beschließen wir eine weitere Nacht zu bleiben. Von den lokalen Gästen wird in einer Bar für das Spielen eines coolen Country Songs Geld geboten: "The Devil went down to Georgia". Alle sind begeistert - offensichtlich gibt es auch in den USA gewisse Animositäten zwischen den Bundesstaaten. Wir wundern uns, dass keine Eintrittsgelder verlangt werden und das Bier noch zu vertretbaren Preisen verkauft wird, aber Nashville ist auch heute noch Zentrum der amerikanischen Musikindustrie mit über 300 Tonstudios an der "Music Row".

Weiter geht's nach Memphis - wer denkt bei Memphis nicht an Elvis Presley und Graceland: es rockt innerlich, dann nichts wie hin! Graceland, das Anwesen des "King of Rock'n'Roll" ist etwas für echte Fans. Täglich werden Besucher aus aller Welt durch das Haus gelotst, vorbei an Elvis' Anzügen, seinen Autos und seinem Jet. Am Grab werden Tränen vergossen, das macht dann US$ 39,00 plus tax - thank you very much. Ist aber egal es geht ja schließlich um den King.
Wir verzichten und unterstützen lieber die lokale Musikszene der "Blues City". Heike meint, dass sie von Elvis zum ersten Mal an seinem Todestag gehört hat, somit sei sie auch kein echter Fan. Dennoch wird uns die Bedeutung des "King" in dieser Stadt bewußt: Elvis wird als der Künstler verehrt, der die Country Songs mit Gospel, Pop und dem Blues der Afro-Amerikaner mischte und damit eine neue Musikrichtung erschuf.

Auch in Memphis ist die Musik in den Bars und Restaurants kostenlos, die Atmosphäre ist familiärer als in Nashville, uns gefällt die Musik in Erinnerung an Jerry Lee Lewis, Johnny Cash, Roy Orbison, B.B. King und natürlich Elvis besser, und Essen & Getränke sind günstiger. Gerne würden wir noch länger bleiben, doch das schlechte Wetter treibt uns weiter mit schönen Erinnerungen an die drei "Music Cities": New Orleans, Nashville und Memphis.

Bevor wir Memphis verlassen wollen wir uns die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung in den USA anschauen. Memphis war Mitte des letzten Jahrhunderts ein Brennpunkt, 1968 wurde Dr. Martin Luther King hier erschossen. „I have a Dream“ ist allgegenwärtig und das ehemalige Motel auf dessen Balkon das Attentat passierte ist heute das beeindruckende "National Civil Rights Museum". Beginnend mit der größten erzwungenen Migration der Menschheit, dem Sklavenhandel, der in 350 Jahren ca. 12,5 Mio. Afrikaner über den Atlantik brachte, bis zu Barak Obama, dem ersten farbigen Präsidenten, wird die Entwicklung in den USA sehr ergreifend dargestellt.

Memphis ist auch bekannt für schwungvolle Gospelgottesdienste - es ist Weihnachten, warum also nicht. Aber nicht irgendeinen Gottesdienst, wir besuchen die "Church of the Full Gospel Tabernacle", gegründet vor 41 Jahren von dem früheren Soulstar Al Green, der vom Soul auf Gospel umgestiegen ist. Green gilt als erster großer Soulsänger der 70er, seine größten Hits waren "Let's stay together" und "Here I am". Aus den 80ern kennen wir "Put a little love in your heart".
Wir sind eine Stunde zu früh da - kein Problem es ist "Sunday School", also Bibelstunde, und wir sind herzlich eingelanden... Doch es wird nicht langweilig, denn der vortragende Pastor legt eine unglaubliche Begeisterung an den Tag und diskutiert mit seinen "Schülern", einigen älteren Damen, lebhaft verschiedene Passagen der Bibel. War die Kirche zur Bibelstunde noch weitgehend leer, füllt sie sich zum Gottesdienst und dann geht es auch schon los: mit Schlagzeug, E-Gitarre und Klavier wird ordentlich Stimmung gemacht und die gesamte Gemeinde "rockt" in den Bänken. Auch hier setzt sich das Gespräch zwischen dem Pastor und der Gemeinde fort, es wird kommentiert und diskutiert, spontan springt jemand auf und bedankt sich beim Bischof und "Bishop Green" trohnt lächelnd neben dem Altar, genießt den Gesang und amüsiert sich prächtig über das Krippenspiel der Kinder. Das zieht sich ziemlich in die Länge und wir nutzen eine Pause (eines der Kids hatte den Text vergessen...) zum Abgang. Ein tolles Erlebnis!

Frohe Weihnachten aus Memphis