1. Reisebericht: Auf in den Kaukasus
6. September - 3. Oktober 2019
Der Toyopedi ist vollgeladen! Zum ersten Mal starten wir mit unserem Reisemobil von zu Hause aus, somit werden flüssige und feste Vorräte eingeladen bis wir das zulässige Gewicht unseres Autos erreicht haben - nein, wir überschreiten es sogar. Ein ganzes Jahr haben wir darauf gewartet, dass es wieder los geht, unser Toyopedi hatte einen Generalcheck über sich ergehen lassen müssen und natürlich auch die verdiente Wellnessbehandlung bekommen. Alles ist jetzt wieder wie neu, auch unsere neuen Reifen strahlen in prächtigem Schwarz mit ordentlicher Profiltiefe.
Wir wollen in den Orient. Somit geht es zunächst durch Ungarn, Serbien und Bulgarien, dann weiter an der Schwarzmeerküste durch die Türkei bis in den Osten Anatoliens, dort werden wir nach Georgien einreisen, weiter nach Armenien und dann in den Iran. Vor dem iranischen Winter wollen wir die in den Bergen gelegenen Sehenswürdigkeiten besuchen und dann über die Straße von Hormus in die Vereinigten Arabischen Emirate übersetzen. Den Winter werden wir in den Emiraten und dem Oman verbringen, bevor es auf südlicher Route durch den Iran wieder zurück in die Türkei und nach Europa geht.
Ungarn und Serbien sind schnell durchquert und wir legen einen ersten Stopp bei Freunden in Sofia ein und genießen die sehenswerte Stadt, essen Shopska Salat und lernen, dass er aus den Nationalfarben Bulgariens besteht: weiß wie der Schnee auf den Bergen (Schafskäse), grün wie die Wälder (Gurken) und rot wie das Blut, dass für Bulgarien vergossen wurde (Tomaten).
Türkei
Die Einreise in die Türkei ist problemlos, in einer halben Stunde haben wir die Grenze passiert, unser Auto wird elektronisch erfasst und darf nun eine bestimmte Zeit in der Türkei bleiben. Erkennbar ist für uns nicht wie lange, ein Stempel im Pass zeigt ein Datum im Jahr 2022, das kann aber weder für uns noch für das Auto gelten. Egal, wir wollen ja vorerst sowieso nicht so lange bleiben.
Schnell sind wir in Istanbul. Die Stadt ist gigantisch und die ersten Staus auf der 8-spurigen Autobahn beginnen in einer Entfernung von 25 Kilometern vom Zentrum. Überall wird gebaut, auf allen Hügeln enstehen Hochhäuser, von Rezession und wirtschaftlichen Problemen ist optisch keine Spur. Wir sind beeindruckt, obwohl wir vor Jahren schon einmal in Istanbul waren, doch da konnten wir die Größe nicht wirklich einschätzen, da wir mit dem Flugzeug kamen und dann in der Innenstadt verweilten. Jetzt erinnert uns die Stadt an Sao Paulo in Brasilien - viel zu groß für uns. Also nichts wie weg und Richtung Schwarzmeerküste in die Einsamkeit.
Erstes Ziel ist die Altstadt von Safranbolu, die zwar nichts mit Safran zu tun hat, aber ein UNESCO-Weltkulturerbe und absolut sehenswert ist.
Weiter geht’s entlang der Küste nach Amasra, einem hübschen Hafenstädtchen, in dem wir übernachten und die Spezialität der hiesigen Küste probieren sollten, "Hamsi" (gegrillte Sardellen), doch wir finden auch einen anderen leckeren Fisch.
Die türkische Schwarzmeerküste ist noch nicht von den Touristenmassen entdeckt worden und es gibt viele einsame Buchten und Strände. Auch abenteuerliche Fahrstrecken durch vergessene Dörfer sind zu bewältigen, da die im Bau befindliche Küstenautobahn noch nicht alle Gebiete erreicht hat.
Je weiter wir nach Osten kommen, desto größer werden die Städte. Wir hatten uns den Nordosten Anatoliens eher einsam vorgestellt und sind völlig überrascht wie viele Menschen hier an der Küste leben. Und wir kommen an riesigen, teilweise noch im Bau befindlichen, Moscheen vorbei und legen einige Fotostopps ein.
Wir wollen noch zwei touristische Highlights an der Küste besuchen: die Hagia Sophia in Trabzon, heute eine Moschee, doch ursprünglich eine christliche Kirche. Die Wandmalereien der dargestellten Heiligen wurden von moslemischen Gläubigen in früherer Zeit stark beschädigt, vor allem wurden Augen und Gesichter zerkratzt. Heute wird der Ort von vielen Moslems besucht und wir beobachten, dass er wohl auch sehr geachtet wird. Leider kann man die Moschee wegen Renovierungsarbeiten nur von außen besichtigen.
Auf der Fahrt zum Felsenkloster Sumela in den Bergen regnet es und wir treffen zum Glück nette Österreicher die uns informieren, dass es keinen Sinn macht zum Kloster zu wandern, denn es ist wegen Renovierung geschlossen und vom Aussichtspunt kann man außer Gerüsten und Planen nichts sehen. Wir sind enttäuscht, denn dieses spektakukär in eine Felswand gebaute Kloster hätten wir uns gerne angeschaut, so kehren wir um und ziehen weiter nach Georgien.
Georgien
Die Einreise verläuft problemlos. In weniger als einer Stunde haben wir die Kontrollen passiert, für den Toyopedi eine einmonatige Haftpflichtversicherung für ca. EUR 12,50 abgeschlossen, georgische Lari am Geldautomaten gezogen und noch eine Sim-Karte fürs Internet gekauft.
Wir übernachten in einem schönen Flusstal nahe einer historischen Brücke und fahren am nächsten Tag Richtung Achalziche. Doch wir haben die falsche Route gewählt und quälen uns ca. 100km auf einer der schlechtesten Bergstrecken, die wir je kennengelernt haben durch abgelegene Dörfer, überqueren einsame Hochalmen und kämpfen uns bergauf und bergab durch die mit Schlaglöchern übersäte Piste. Am Ende wissen wir nicht wer uns mehr leid tut, unser Toyopedi oder wir uns selbst.
Wir wollen die Höhlenstadt Wardsia besuchen. Die von Menschenhand in die Felswand geschlagenen ca. 3.000 Höhlenwohnungen sind durch Gänge miteinander verbunden und boten über 50.000 Menschen Unterschlupf. Es wird vermutet, dass es sich um eine religiöse Anlage handelt, denn auch ein Kloster wurde dort im 12. Jahrhundert in den Felsen errichtet. Wir suchen uns einen Übernachtungsplatz am gegenüber liegendem Berg und können noch in der Nacht die angestrahlten Höhlen bewundern.
Nächster Stopp ist Kutaisi, die zweitgrößte Stadt des Landes. Wir besichtigen die Bagrati-Kathedrale aus dem 11.Jahrhundert und bummeln durch die Stadt. In einem von jungen Georgiern geführten Restaurant bekommen wir eine tolle Einführung in die landestypische Küche und essen gigantisch gut zu Abend, begleitet von feinen georgischen Weinen.
Wir beginnen mit unserer Tour "Kirchen, Klöster & Berge", denn was Georgien ausmacht sind atemberaubend gelegene Klöster und Kirchen. Bei Kutaisi gibt es gleich zwei dieser Sakralbauten, das Kloster Gelati steht unter UNESCO-Weltkulturerbe.
Das kleine Kloster Motsameta liegt spektakulär auf einem Felsen oberhalb einer Schlucht.
Weiter geht es zur Höhlenstadt Uplisziche, die bereits im 1. Jahrhundert gegründet wurde und die an der legendären Seidenstraße lag.
Die Stadt Gori ist der Geburtsort von Stalin und noch zu Sowjetzeiten wurde ihm ein Museum errichtet und das Geburtshaus mit einem schützenden Dach versehen und, einem Tempel ähnlich, von Säulen umgeben. Zu besichtigen ist auch sein persönlicher Eisenbahnwaggon in dem er im bzw. nach dem 2. Weltkrieg zu den Konferenzen von Teheran, Jalta und Potsdam reiste. Natürlich gibt es auch die obligatorische Statue. Über die Stadt wacht eine riesige Festungsanlage.
Wir besuchen Mzcheta, die ehemalige Hauptstadt Georgiens und heute noch religiöses Zentrum des Landes. Dementsprechend ist viel los in den engen Gassen und an der Swetiz-Choveli Kathedrale in der, der Legende nach, der Leibrock Christi nach der Kreuzigung vergraben wurde.
Um Mzcheta gäbe es noch fünf weitere Klöster in den Bergen zu besichtigen, wir beschränken uns darauf ein weiteres in der Stadt anzuschauen.
Es ist Wochenende und da bietet sich ein Besuch der Hauptstadt an, denn weniger Verkehr ist für uns natürlich angenehm. Da wir für den Bus ins Zentrum das Kleingeld nicht passend haben, winkt der Busfahrer freundlich ab und gibt uns zu verstehen, dass das schon ok sei.
Entlang des Hauptboulevards bummeln wir an Prachtbauten vorbei Richtung Altstadt.
Tiflis hatte Glück mit seiner Altstadt, denn im 2. Weltkrieg wurde der Vormarsch der deutschen Truppen ein paar Hundert Kilometer vor der Stadt gestoppt. Und als es zu Ende ging mit der UdSSR, war schlicht nicht genug Geld da, um die traditionellen Häuser abzureißen und neue zu bauen. Übriggeblieben ist eine Altstadt mit engen Gassen und schönen alten Häusern, teilweise ziemlich renovierungsbedürftig, viele mit wunderschönen Balkonen, die uns an New Orleans erinnern, aber vielfach so aussehen, als würden sie jeden Moment einstürzen.
Entlang der georgischen Heerstraße fahren wir in die Bergwelt des Großen Kaukasus und übernachten malerisch an einem Stausee unterhalb einer schönen Wehrkirche.
Unser Ziel ist Stephanzminda und die berühmte Gergeti-Kirche, eine kleine Wehrkirche, die malerisch auf einem Felsen oberhalb des Tals thront, umrahmt von den Bergmassiven des Kaukasus und dem höchsten Berg Georgiens, dem 5.047m hohen Kazbeg, meist in Wolken gehüllt, doch wir haben Glück.
Die russische Grenze ist nur noch 10km entfernt, doch wir machen kehrt und fahren Richtung Süden mit dem Ziel Armenien.
Armenien
Frage an Radio Eriwan: Ist Armenien eine Reise wert?
Antwort: Im Prinzip ja, aber ein russischer Militärlaster wäre in Anbetracht der Straßen von Vorteil.
Waren in Georgien nur die Nebenstraßen katastrophal begrüßt uns Armenien bereits auf der Hauptroute, kurz hinter der Grenze, mit einer üblen Piste. In den nächsten Tagen stellen wir fest, dass die Klassifizierung der Straße nichts über ihrem Zustand aussagt. Viele der Hauptverbindungen sind in katastrophalem Zustand, dafür überraschen einige Nebenstraßen mit bestem Belag.
Unseren ersten Stopp legen wir bei Alawerdi ein. Die ehemalige Industriestadt, in einem schönen Tal gelegen, erinnert uns an Rumänien, denn auch dort wurde in wunderschönen Bergtälern Bergbau betrieben und die verarbeitende Industrie mit angesiedelt. Gewohnt wurde in hässlichen Plattenbauten, die auch heute noch den Charme der sozialistischen Vergangenheit versprühen, während die Fabrikanlagen langsam verfallen.
Unser Ziel sind jedoch die unter UNESCO Welterbe stehenden Klöster Sinahin und Haghpat.
In Dilidschan sei die Altstadt sehenswert. Hätte uns nicht der freundliche junge Mann in der Touristen-Information den Weg erklärt, wir hätten das kleine Gässchen mit drei renovierten historischen Häusern wohl übersehen.
Im Kloster Hagharzin, nahe Dilidschan im Wald gelegen, werden wir vom deutsch sprechenden Abt freundlich begrüßt und eingeladen doch vor dem Pfarrhaus zu übernachten. Der Platz ist jedoch ziemlich schief und außerdem ist viel los in der Anlage, so daß wir in die Stadt zurückfahren und uns einen ruhigen Platz zwischen der Touristen-Information und der Polizeistation suchen. Wären wir mal besser im Kloster geblieben, denn in der Nacht wird uns einer unserer nagelneuen Campingstühle aus dem Staufach gestohlen, dass wir leider vergessen hatten abzuschließen.
Weiter geht es Richtung Jerewan mit einem Stopp am Sewansee, dem größten Hochgebirgssee des Kaukasus. Natürlich ist auch hier ein Kloster in malerischer Lage auf einer Halbinsel am See zu besichtigen, Armenien ist ja schließlich die Wiege des Christentums.
Der Himmel ist trüb, daher beschließen wir, weiter zur Hauptstadt zu fahren. Außerdem fehlt uns für einen gemütlichen Stopp am See ein Campingstuhl, somit steuern wir als erstes einen Outdoor-Shop an. Leider Fehlanzeige und auch unsere weiteren Versuche sind nicht erfolgreich, so dass wir uns erst einmal die Stadt anschauen.
Unser Übernachtungsplatz an der Konzerthalle liegt neben der Genozid Gedenkstätte, die ein riesiges Areal oberhalb der Stadt einnimmt. Der Völkermord der Osmanen an den Armeniern in 1915, bei dem Schätzungen zufolge bis zu 1,5 Millionen Armenier umkamen, wurde bis heute von der Türkei nicht anerkannt. Auch aus diesem Grund gibt es keinen geöffneten Grenzübergang zwischen beiden Ländern.
Armeniens Hauptstadt gilt als eine der ältesten Städte der Welt, eine Altstadt im klassischen Sinne gibt es jedoch nicht und das Zentrum wirkt auf uns eher modern, mit großen Boulevards und Plätzen.
Ein Wahrzeichen der Stadt ist die große Kaskade, eine riesige Kalksteintreppe, die einst die oberen Stadtteile mit dem Zentrum verbinden sollte.
Nach drei Wochen Reisezeit mit täglichen Fahretappen wollen wir uns eine Pause gönnen und steuern das empfohlene B&B von Sandra, ca. 60km außerhalb von Jerewan an. Auf dem Weg, wen wundert es, sind noch ein Tempel (!) und ein Kloster zu besuchen. Der griechische Garni-Tempel aus dem 1. Jahrhundert war dem Sonnengott Mitra geweiht und ist der einzige heidnische Tempel der - nach der Annahme des Chirstentums in Armenien im Jahre 301 - nicht zerstört wurde.
Das Felsenkloster Geghard gilt als eine der bedeutendsten Wallfahrtstätten Armeniens und soll vom Heiligen Georg, dem Patron der armenischen apostolischen Kirche, gegründet worden sein. Die Anlage ist auf und in die Felsen gebaut, was insbesondere in den Kirchen und Kapellen eine tolle Atmosphäre schafft.
Sandras B&B ist eine echte Wohlfühloase und wir genießen, abgesehen von den üblichen Arbeiten wie Wäschewaschen und Hausputz, die Gesellschaft der anderen Gäste und Reisenden, sowie das armenische Essen.
Für die Weiterfahrt in Richtung Berg Ararat hatten wir uns für die Abkürzung über eine Nebenstraße entschieden und zum ersten Mal seit wir den Toyopedi haben, umgedreht. Die Löcher waren dermaßen brutal, dass wir nach zwei Anläufen, in denen unser Reisemobil nur noch auf 3 Rädern stand, aufgegeben haben, denn in den Serpentinen war die Schräglage durch die Löcher so extrem, dass wir Angst hatten, den Toyo umzukippen.
Unser Ziel, das Kloster Chor Wirap, haben wir auf der Hauptroute sicher erreicht.
Auf schöner und einsamer Strecke durch die Berge fahren wir ins Weinanbaugebiet bei Areni und weiter durch eine malerische Schlucht zum Kloster Noravank, das, von roten Felsen umrahmt, spektakulär oberhalb eines Talkessels liegt. Wir übernachten direkt vor dem Kloster und genießen den Blick auf das Kloster und die roten Felsen in der Abendsonne.
Das Kloster Worotnawank liegt einsam oberhalb des Flusses Worotan, abseits der Hauptrouten. Das erste Mal in Armenien, dass wir völlig alleine durch eine Klosteranlage laufen.
Als Highligt im Süden Armenien gilt das Kloster Tatev, nicht nur wegen der beeindruckenden Anlage, sondern auch wegen der „Flügel von Tatev“ genannten (Doppelmeyer-)Seilbahn, die die Besucher über die Schlucht des Worotan zu dem einsam gelegenen Kloster bringt.
Die 5,7km lange Fahrt über die Schlucht ist in der Tat beeindruckend, auch an der tiefsten Stelle schwebt die Bahn immer noch über 300 Meter über dem Boden. Auch die Klosteranlage ist sehenswert, für uns eher eine Burg mit integrierter Kirche, denn sie ist von einer mächtigen Mauer umschlossen, mit Wehrtürmen und Geheimgängen gesichert, und in toller Umgebung gelegen.
Auf einer schönen Bergstrecke, teilweise wieder in üblem Zustand, endet unser Abstecher in den Kaukasus und wir fahren entlang der Grenze zur abtrünnigen Region Bergkarabach Richtung iranische Grenze.