9. Reisebericht: Kuchen, Fondue & Bier

17. Dezember 2013 - 8. Januar 2014

Wir verlassen die Carretera Austral, die Piste bleibt weiterhin schlecht und die Landschaft malerisch. Schliesslich erreichen wir das chilenische Seengebiet, die Strasse wird besser und ist dann sogar geteert. Majestaetisch begruesst uns der Vulkan Osorno, den wir wohl die naechsten Tage von verschiedenen Seiten sehen weden.

In Puerto Varas erleben wir erstmals den deutschen Einfluss, denn wir werden zu unserem Erstaunen von aelteren Einwohnern in deutsch angesprochen. Vor rd. 150 Jahren sind die ersten deutschen Einwanderer hierher gekommen und auch heute kann man das noch erkennen, denn es wirkt alles so ordentlich……
In Frutillar wird es dann noch "deutscher". Wir spazieren an mit Gartenzwergen dekorierten Balkonen vorbei und das Vereinshaus des "Club Aleman" schmueckt den zentralen Platz des Ortes. Es gibt ein kleines Dorfmuseum, das wir natuerlich besuchen, und lernen Frau Lindemann, eine deutsche Einwanderin, die 1952 nach Chile kam, in ihrem kleinen Laden mit Handarbeiten kennen. Wir diskutieren mit ihr ueber das Leben und die Politik in Chile und Deutschland und geniessen das Gespraech mit der alten Dame. Wir hoeren ihre Meinung ueber die Welt im Jahr 2013 und sind beeindruckt, wie gut sie ueber das aktuelle politische Geschehen in Deutschland informiert ist, z.B. dass es wieder eine grosse Koalition gibt und Frau von der Leyen Verteidigungsministerin geworden ist...
Das Wort “Kuchen” gehoert hier zur spanischen Sprache und alle Cafes in Frutillar werben mit Kuchen. Schwarzwaelder Kirschtorte in Chile - das hat etwas, sogar fuer uns!

  • Vereinshaus des Club Aleman

  • 100 Jahre Deutsche Feuerwehr

  • Deutsche Technik im Dorfmuseum

  • Blick auf Frutillar mit Vulkan Calbuco

  • Uferpromenade mit Osorno

Wir koennen uns noch nicht vom Vulkan Osorno trennen und finden einen schoenen Campingplatz am Seeufer, geniessen die Aussicht sowie Bier, Wein & Essen und machen technischen Dienst am Toyopedi.

Auf dem Weg in das argentinische Seengebiet baden wir in den heissen Quellen "Aguas Calientes" und reisen dann ueber den Cardenal Samore-Pass nach Argentinien ein. Wir fahren kilometerlang an weissen Baumskeletten vorbei, hohe Berge von Asche liegen an den Strassenseiten und wir erfahren spaeter, dass vor zwei Jahren einer der umliegenden Vulkane ausgebrochen ist. Wenn wir die Bergspitzen beobachten, sehen wir vereinzelt weisse Rauchsaeulen vor dem tiefblauen Himmel nach oben steigen...

Wir erreichen San Carlos de Bariloche, ein beliebter Ferienort im Nationalpark Nahuel Huapi und das argentinische "Schokoladenzentrum". Alles scheint hier schweizerisch beinflusst zu sein, nicht nur der Baustil, sondern auch das Essen (Fondues: Kaese oder Schokolade). Es gibt aber auch hier die deutschen Einwanderer und somit unzaehlige kleine Privatbrauereien, manche stellen nur 200 Flaeschchen ihres exklusiven Bieres im Monat her. Die vielen Seen um Bariloche sind ein Traum in blau, tuerkis und gruen, die Berge schneeweiss und felsengrau.
Das Wetter ist toll, um die 30 Grad, und wir geniessen den 24. Dezember mit Cocktails am Lago Nahuel Huapi und den "4 Amigos" aus den Niederlanden, die wir auf unserer Reise waehrend der letzten 10.000km schon mehrmals getroffen haben.

Von Bariloche machen wir einen Abstecher auf der Ruta 40 nach Sueden Richtung El Bolson. Unser Reisefuehrer schreibt, dass die Einwohner hier sagen dies sei die schoenste Gegend Argentiniens. Tatsaechlich ist die Landschaft wieder faszinierend und wir geniessen die Fahrt, ob es die schoenste Gegend ist, wissen wir noch nicht.
Wir besuchen Claudia und Klaus, die in der Naehe von El Bolson mit ihren beiden Toechtern auf einer Farm leben. Klaus hatte sich im Oktober um die Haftpflichtversicherung fuer unseren Toyopedi gekuemmert und alles super schnell erledigt. Dass Claudia und Klaus in Deutschland ziemlich bekannt sind und die Auswanderer-Quote ganz erheblich erhoeht haben, wussten wir bis zu unserem Besuch nicht. Die Beiden sind 1981 im Alter von 20 und 23 Jahren in Deutschland aufgebrochen und wollten mit den Motorraedern nach Japan fahren. Aus den geplanten 10 Monaten wurde eine 16 Jahre lange Reise um die Welt, bis sie 1997 wieder nach Deutschland zurueckkehrten. Anschliessend hatten sie riesigen Presserummel, Fernsehauftritte und ihre Diashows sahen hunderttausende Besucher. Als sie den Rummel satt hatten, zogen sie sich auf ihre Farm in Argentinien zurueck. Ihr Buch "Abgefahren" ist in mehreren Auflagen und vielen Sprachen erschienen und wir schmoekern mit Begeisterung darin, es ist ein tolles Zeitdokument.
Wir fuehren interessante Gespraeche und geniessen die Gastfreundschaft der Beiden, doch es zieht uns weiter auf unserer Tour, auch wenn wir gerne noch laenger geblieben waeren.

Ruta de los siete Lagos. Wir fahren weiter die "Route der sieben Seen" und ueberqueren entlang des Vulkan Lanin die Grenze nach Chile. Vom Vulkan sehen wir leider nichts, es regnet und die Wolken haengen tief. Unser Ziel ist Pucon, ein kleines Staedtchen am Ufer des Lago Villarica mit gleichnamigem, noch aktivem Vulkan. Pucon ist einer der meist besuchten Ferienorte der Chilenen und waechst in der Saison von 8.000 auf 80.000 Bewohner. Wir empfinden ihn noch nicht zu ueberlaufen und uns gefaellt der “kleine” Ort. In der Gaststaette "Biergarten" von Elke und Ulli feiern wir Silvester mit gutem Bier, Tartar, Bratwuerstchen und Leberkaese mit Spiegelei. Den 1. Januar verbringen wir bei Regen in den "Termas Geometricas", einer open-air Thermenlandschaft im japanischen Stil entlang eines Bergbachs mit Wasserfaellen und 20 heissen Natursteinpools, die mit Stegen verbunden sind. Den beschriebenen Campingplatz fuer den Abend finden wir nicht und halten bereits in der Dunkelheit vor einem schicken Restaurant an der Landstrasse, wo wir die einzigen Gaeste zum spaeten Abendessen sind und die Nacht auf dem Parkplatz stehen duerfen. Der Eigentuemer kocht selbst und zaubert uns ein Essen, das wir mit Sternen bewerten wuerden, es ist unglaublich gut. Somit unser kulinarischer Tip: El Arbol - Restaurant-Bistro en el bosque, Camino Pucon-Caburgua km10.

Am naechsten Morgen scheint endlich wieder die Sonne und wir fahren spontan noch einmal zurueck zur Grenze und hoffen, den 3.700 Meter hohen Vulkan Lanin zu sehen sowie endlich auch den “Haus”–Vulkan von Pucon, den Villarica. Trotz vieler Wolken in den Bergen, reisst auf dem Pass der Himmel auf und wir geniessen den Anblick der Vulkane.

Wir wollen noch weitere Vulkane erleben und fahren in den Nationalpark Conguillo mit dem noch aktiven Vulkan Llaima. Der Llaima gehoert zu den aktivsten Vulkanen in ganz Suedamerika, der letzte Ausbruch war 2009. Wir sind tief beeindruckt und koennen genau sehen, wie ein Vulkanausbruch und seine Lavafluesse die Landschaft veraendern. Kilometerlang fahren wir an erkaltetem Lavagestein entlang, koennen nachvollziehen wie die Lavamassen den Berg herunter geflossen sind und alles unter sich begraben haben. Nur langsam faengt die Natur wieder an, diese riesige schwarze Steinwueste mit Flechten oder Graesern zu beleben, kleine Baeume beginnen wieder zu wachsen. Hier sehen wir direkt vor uns was wir natuerlich wissen und philosophieren darueber, dass unsere Erdkruste ja wirklich nur ein duenner Streifen ist, unter uns gluehende Magma, und wir eigentlich auf einem Feuerball leben. Wenn es dem Feuer bzw. der Magma im Inneren aufgrund der Verschiebung der Erdplatten wieder zu eng wird und der Druck steigt, gibt es einen Vulkan, der, vergleichbar einem Fahradventil, die Luft ausstoesst, und mal eben einige Millionen Tonnen Lava an die Oberflaeche presst - Doerfer, Staedte und ganze Landstriche unter sich begraebt und nach dem Erkalten eine riesige Gesteinswueste hinterlaesst.

Wir verbringen einige Tage in "La Suizandina" bei Ivana und Sergio. Auf einem schoen angelegten Stueck Land zu Fuessen des Vulkans Longquimay betreiben sie eine kleine Lodge, ein Restaurant mit chilenisch-schweizerischen Spezialitaeten und einen Campingplatz. Bei strahlendem Sonnenschein machen wir technischen Dienst am Toyopedi: abschmieren, Luftfilter waschen, Schrauben und Oelstaende kontrollieren, ausserdem waschen wir endlich unsere Winterklamotten in denen noch das Salz der Antarktis steckt; gewaschen und geputzt wird auch der Toyopedi von aussen und innen. Waehrend wir am Auto werkeln, verarbeiten wir die Eindruecke unserer Reise...
Ivana hat auch einige Pferde und bietet Ausritte an. Wir haben in unserem ganzen Leben noch nie auf einem Pferd gesessen und wollen es ausprobieren. Ivana meint, das sei kein Problem, erklaert kurz wie man nach rechts oder links “lenkt”, “Gas gibt" oder “bremst” und schon sitzen wir auf zwei Pferden und reiten in die Natur. Gleich zu Beginn ist die Landstrasse zu ueberqueren und ein Stueck an ihr entlang zu reiten. Wir sollen die Pferde ein wenig mit dem Bein an die Seite druecken - klingt unmoeglich, aber es klappt. Hohlweg bergauf: nach vorne lehnen, bergab: eher etwas nach hinten und um tiefhaengende Aeste herum steuern. Bergauf und auf dem Heimweg verfallen unsere Pferde in einen Trab, wir werden richtig durchgeschuettelt, doch wir bleiben im Sattel und trotz anfaenglicher Nervositaet, hat uns der Ausflug zu Pferd viel Spass gemacht. Wir beschliessen dies bei naechster Gelegenheit zu wiederholen.

Auch hier haben wir die Gastfreundschaft genossen und waeren gern noch ein wenig geblieben, doch die Hauptstadt Santiago de Chile lockt uns weiter in den Norden.